Tagebuch - Christoph & Lollo - August und September 2005

  • 18.10.02: Zentrum für Kompetenzen, Wien
    Das Zentrum für Kompetenzen (ZFK) ist neu, im 15. Bezirk und eine Anlaufstelle für behinderte Menschen, die sich mit Ämtern, Gesetzen oder anderem nicht auskennen und Hilfe brauchen. Das ganze funktioniert nach dem sogenannten peer-counceling-Prinzip, das heisst, Betroffene beraten Betroffene. Leider sind wir insofern etwas zu spät gekommen, als wir nur noch den Schluss des Auftritts von Klaus Eckel mitgekriegt haben. Den Auftritt der Band Hardworker haben wir ganz versäumt, ebenso die Reden der geladenen Politiker, letzteres hätte uns aber vermutlich eh gelangweilt. Um das Buffet auszukosten, hatten wir hingegen genug Zeit. Irgendwann haben wir dann zu spielen angefangen. Diesmal sogar mit ein wenig Konzept: Wir haben uns vorgenommen, keine anstrengenden Lieder, also welche, bei denen man schreien muss, zu singen. Wir wollten nämlich drei Tage später ins Tonstudio. Ausserdem erschien uns dieses kleine, nette Fest als der richtige Rahmen, unsere neuen Lieder einmal vor Leuten auszuprobieren. A bisserl komisch ist das halt schon, wenn man so mitten im Publikum steht, und alles ist so hell, und hören tut man sich auch nicht so gut, aber immerhin hatten wir zwei Mikrophone. Und da wir ja weder ein Schlagzeug haben, noch uns durch ausgefeilte Bühnenshows zu profilieren wissen, ist das bei uns eh wurst; ausserdem ist das eine schöne Abwechslung zu den Fußballstadien, in denen wir sonst auftreten. Sonst war dann nicht mehr so viel los, das haben einige Leute früher geschnallt und haben sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Die letzten Pickenbleiber wollten wir dann mit einer unverstärkt gebrüllten Version von Twist & Shout vertreiben (soviel zum Thema stimmschonendes Konzept), was uns aber auch nicht so recht gelungen ist; im Gegenteil, auch nach Ende unseres Auftritts war man noch sehr nett zu uns und lud uns auf ein Glas Prosecco ein. Besten Dank.

  • Ende Oktober bis Anfang November 02: Studio Amann, Wien
    Jetzt erzählen wir Ihnen einmal, wie das so ist, wenn man eine CD macht: Ungefähr eineinhalb Jahre vorher sagt jemand, dass eine CD gemacht wird. Wir sagen dann: "Jaja, sagt es uns bitte, wenn ein Termin feststeht". Ungefähr ein, zwei Monate vorher wird dann geredet. Dann sagen wir "Aber wir haben doch gar keine neuen Lieder" und bekommen es mit der Angst zu tun. Indem man uns daran erinnert, dass wir doch seit über einem Jahr Lieder spielen, die noch auf keiner CD drauf sind, kann man uns dann ein bisschen beruhigen. Also fangen wir an zu zählen: Drei Lieder gibt es schon, auf eine ordentliche CD gehören mindestens zehn Lieder, also brauchen wir noch sieben, und wenn man genügend unter Druck steht, dann geht das schon. Ein, zwei Monaten vor dem Produktionstermin kann man sich auch noch einbilden, man hätte genug Zeit, um so exotische Sachen wie einen Remix bewerkstelligen zu lassen oder so. Jedenfalls nimmt der Lollo dann Lieder auf Minidisc auf, Gitarre und Singen, und gibt sie dem Christoph. Der Christoph hört sich die Lieder dann an, und wenn er sie halbwegs kennt, dann können wir schon mit dem Üben beginnen. Gut wäre es, wenn man sich vorher eine Wohnung zulegt, weil die Nachbarin von der Astrid ihr Recht auf Ruhe hat. Das Dumme beim Üben ist: Je mehr man übt, desto weniger gefällt einem das jeweilige Lied, weil man sich die Lieder am Anfang so schön vorstellt, dann jedoch, vor allem später im Studio, immer schmerzhafter feststellen muss, dass sie doch nicht so werden. Wahrscheinlich üben wir deshalb sonst nicht. Jedenfalls, beim Üben sitzt man halt da, und singt die Lieder, und überlegt sich, wie man zweistimmig singt, und manchmal hat man ganz lustige Einfälle, die man sich dann aber nicht verwirklichen traut, und irgendwann hat man dann eh keine Zeit mehr zum Üben oder Ideen entwickeln. Und dann heißt´s: Ab ins Studio. Zuvor schaut man noch bei der sehr freundlichen Greißlerin vorbei und deckt sich mit Ess- und Trinkbarem ein. Dann geht man ins Studio und lernt den Tontechniker kennen: Das sind immer sehr ruhige und extrem geduldige Menschen, die oft die Angewohnheit haben, sich eine Zigarette in den Mund zu stecken und erst eine Stunde später anzuzünden. Bei unserem Beispiel handelt es sich um Herrn Christoph Amann und Gauloises. Dann sieht man sich kurz im Studio um: Studios sind immer wohlriechende, relativ saubere Orte mit vielen bunt blinkenden Geräten, die einen verführen zu fragen "Was ist denn das?". Die ersten zwei Tage im Tonstudio verbringt man mit Wasser trinken, halsbefeuchtende Pastillen lutschen, Asthmaspray inhalieren, singen, Gitarre spielen, Aufnahmen anhören und warten, sehr viel warten. Die Ernährung besteht in diesen Tagen hauptsächlich aus Wurstsemmeln und Kaffee. Während dieser Zeit wird die Befürchtung, dass die Lieder eigentlich gar nicht so leiwand sind wie man sie sich vorgestellt hat und nicht wirklich etwas hergeben, stetig mehr zur traurigen Realität. Zusätzlich ist es für wehleidige Buben wie uns auch belastend, ständig mit den eigenen Fehlern und Mängeln konfrontiert zu werden, schließlich hört man in diesen modernen Studios ja ganz genau, ob man falsch spielt oder singt. Auch stellt man mit großer Sorge fest, dass man die Lieder offensichtlich nicht zur befriedigenden Hinreichlichkeit vorbereitet hat. Irgendwann meint man dann, dass man den Umständen und dem steigenden Zeitruck entsprechend, eigentlich mit dem Aufnehmen fertig sein sollte und mit dem sogenannten Abmischen beginnen kann. Es ist nämlich so, dass beim Ein-singen bzw. -spielen die Sachen nicht so klingen wie sich das der spätere Käufer erwarten darf, zum Beispiel stimmen die Lautstärkenverhältnisse der einzelnen Klangprotagonisten nicht. Dies ist natürlich der Zeitpunkt, zu dem die blinkenden Studiogeräte ihre Arbeit verrichten dürfen. Beim Abmischen der Spuren und beim sogenannten Mastering hört man sich dann alles noch hunderte Male an, mit der Zeit weiss man dann gar nicht mehr, wie das klingt was man hört, und ob das gut oder schlecht ist. Man traut sich dann bald auch nicht mehr seine Meinung kundzutun, weil man sich nicht sicher ist, ob das auch stimmt, was man zu hören glaubt. Gottseidank weiss der Christoph Amann wie so eine CD ungefähr klingen muss. Wenn dann alles fertig ist, muss (in unserem konkreten Fall) noch die Grafik angefertigt werden, das machten in unseren Fall der Tommi Bergmann und der Hermann Stöckl aus Innsbruck. Und irgendwann wird alles an das CD-Press-Werk geschickt, und dann wartet man, und dann ist irgendwann die CD fertig.

  • 07.12.02: BOF, Graz
    BOF: Was ist das? BOF ist eine slowenische Warenhandelskette, die vor kurzem auch ins österreichische Ausland expandiert hat. Auf luftgeplosterten Hummelpelzteppichen wandelt man dort auf 7000 Quadratkilometern Fläche und wählt zwischen 5 Millionen modernen Produkten. Für jeden der hochmodernen Fernsehapparate, die zum Kauf angeboten werden, steht fast schon ein kleines Wohnzimmer zur Verfügung, so lädt ein Luxussofa zum verweilen, entspannen und fernsehen ein. In der Musikabteilung (17 Stockwerke, 800 Quadratkilometer) ist die Jazz-Abteilung von einer luftdichten Platinglasscheibe umschlossen, die vermutlich eine Jazz-Kontaminierung des umliegenden Pop/Rock-Bereichs verhindern soll. Nicht weit von dort war eine Bühne, die alle Stücke spielte: 30 000 Megawatt Superpersuitmode-pa-anlage, das Licht war auch hell, ja, und dort sind wir aufgetreten. Wir sollten dort zur Geschäftszeit einen sogenannten Promotion-Auftritt machen, um unsere neue CD zu bewerben. Stattdessen wird wohl BOF inc. seine Geschäftspolitik überdenken. Aus der Bewerbung der CD ist in dem Sinn nämlich nichts geworden: Erstens war unsere CD noch nicht fertig, und zweitens war unser Auftritt sehr schlecht.

  • 09.12.02: Virgin Megastore, Wien
    Auch das Virgin-CD-Geschäft in der Wiener Mariahilferstrasse verfügt über eine kleine Bühne. Die ist natürlich nicht so gross wie die im BOF (siehe 07.12.). Wir sollten hier wieder Werbung fr unsere CD machen, aber sie war noch immer nicht fertig. Diesmal waren wir nicht mehr so schlecht wie zwei Tage zuvor, aber so richtig anfreunden konnten wir uns noch immer nicht mit den neuen Liedern. Als wir vor 1, 2 Monaten im Studio waren und die Lieder aufnahmen, konnten wir ja mehrere Spuren aufnehmen, also zum Beispiel eine dritte Stimme oder eine zweite Gitarre, aber live geht das nicht. Aber die kleine Leistungssteigerung hat ausgereicht, um uns Trost zu spenden. Jene Teile des Publikums, die gerne eine CD erstanden hätten, konnten sich stattdessen einen Gutschein nehmen, der sie zum ermässigten Kauf des Tonträgers zu einem späteren Zeitpunkt berechtigte, natürlich nur im selben Lokal. Die Leute, die uns zugehört haben, waren wieder einmal sehr nett zu uns.

  • 14.12.02: Museumsquartier, Wien
    Zur Weihnachtszeit gibt es in Österreich immer eine große Spendenaktion namens Licht ins Dunkel, die Gelder fr wohltätige und soziale Projekte lukriert. Wer etwas auf sich hält, macht da mit. Zum Beispiel FM4, der sympathische Radiosender, der ein Eisstockschießen-Schauturnier veranstaltete. Die Zuseher sollten sich am Wettstreit der Stars erfreuen und gleichzeitig viel Punsch trinken, weil der Erlös von dessen Verkauf eben Licht ins Dunkel zu Gute kam, genau genommen einem Projekt des Wiener Integrationshauses für minderjährige Flüchtlinge. Übrigens: Licht ins Dunkel ist eine Wortkombination, die es eigentlich gar nicht gibt. Vielmehr müsste es Licht im Dunkeln, oder Licht in die Dunkelheit heissen, oder so, aber nicht Licht ins Dunkel, dunkel ist ja ein Eigenschaftswort. Sagt zumindest der Christoph. Nach dem Eisstockschießen gab es dann ein kleines Konzerterl von uns, im Freien wohlgemerkt, und es war sehr kalt. So kalt, dass die Montana-Haustropfen nicht mehr gewirkt haben. So kalt, dass der Lollo seine Finger in seinen Glühwein stecken musste, zum Auftauen, aber es ging nur einmal so richtig, weil der Glühwein dann auch kalt war. Diesmal waren wir alles in allem wieder ein bisschen schlechter, aber wir hätten zumindest ein paar gute Ausreden gehabt. Für die Statistik: Unser erster Auftritt, bei dem die Erfüllung unserer technischen Anforderungen (1. 2 Mikrophone 2. 1 sogenannte d.i.-box 3. ein Sessel) am Sessel scheiterte. Unser innigster Dank gebührt Duncan Larkin, der uns mit heissem Punsch von der Bühne holte.

  • 16.12.02: Chelsea, Wien
    Aufmerksamen Lesern dieses Tagebuchs wird das Chelsea ein Begriff sein, den anderen wollen wir nichts darüber erzählen. Wie schon bei unseren vergangenen zwei Auftritten wollten wir auch heute unsere neue CD Schispringerlieder 3 präsentieren, aber sie war noch immer nicht fertig. Das waren ihre Vorgänger zu deren jeweiligen Präsentationen aber auch nicht, so hatten wir nun genug Übung im Umgang mit der Enttäuschung. Die Grundlage für diesen Abend bildete ein Magenproblem. In den Interviews, die wir in den Stunden vor dem Konzert ein paar Interviewungsleuten gaben, fiel es dem Christoph schwer zu lächeln, wegen der Gastritis. Vorm Konzert saßn wir im Backstageraum, waren ein bisserl nervös, und warteten, bis und die anwesenden Profis sagten, nun könnten wir aber langsam anfangen. Das ist dann eh immer schon zu spät, wie wir finden, aber damit nicht genug, benötigen wir dann noch eine Viertelstunde bis zur Bühne und müssen uns dann fast völlig schuldlos mit unserem schlechten Gewissen herumschlagen, weil wir uns über den Unmut des Publikums Sorgen machen, die hätten mittlerweile allemal das Recht, sauer zu sein, wegen der fortgeschrittenen Stunde. Als wir es dann endlich auf die Bühne geschafft hatten und runterschauten, stellten wir fest, dass da dichtgedrängt Menschen standen, kein Wunder, dass wir da so schwer durchkamen. Nach kurzem Vorbereiten, Zettel blöd herumschlichten und Gitarre stimmen zum Beispiel, konnten wir dann beginnen, wobei sich herausstellte, dass wir irgenwie ganz gut aufgelegt waren, sogar die Gastritis hat sich nicht mehr gemeldet. Die freundlichen, gutgelaunten Besucherinnen und Besucher waren scheinbar gar nicht böse weil sie so lang warten mussten, sondern sehr gut gelaunt. Im Lauf des restlichen Abends kam es immer öfter vor, dass die Leutinnen und Leute zuhauf lauthals mitsangen. Wir waren gut genug aufgelegt, um lauter Blödsinn zu machen, wie zum Beispiel ein Lied von Georg Danzer und zwei von Lionel Richie zu spielen, eines davon als Premiere sogar mit vorherigem Üben, aber auch das konnte die Zuhörer nicht verschrecken. Wir haben einen so einen Spass gehabt, dass wir gar nicht gemerkt haben, wie schnell doch die Zeit voranschritt, so ist es vielleicht einigermassen verständlich, dass wir rückblickend schon zur Hälfte des Konzerts das letzte Lied angekündigt haben, aber das Problem mit der Zugabe und dem ganzen Drumherum haben wir fast immer. Heute kam noch dazu, dass wir gar nicht so tun konnten, als verließen wir die Bühne, weil neben und vor und hinter der Bühne nämlich kein Platz war. Erzählen sollten wir vielleicht noch, dass wir als kleine Entschädigung für die fehlende CD zumindest T-Shirts dabeihatten. Es gibt nämlich ab sofort T-Shirts wo unser Logo drauf ist und Sachen draufstehen (siehe www.merchzilla.com). Die sehen ganz nett aus, die Mama vom Christoph meint, sie wären zu lang geschnitten. Herzlichen Dank jedenfalls an die netten Menschen, die uns so viel Freundlichkeit und Wohlwollen entgegenbringen. Das war wirklich ein sehr schöner Abend, vielleicht hätten wir sogar selber hingehen sollen wenn wir nicht sowieso dortgewesen wären. An dieser Stelle möchte der Lollo um Entschuldigung bitten, dass die Gitarre meistens so verstimmt ist, aber das ist halt so schwierig.
    Zum Schluss ein wenig Wissenschaft - Lollos These: Bei jedem Konzert tanzt zuletzt eine Frau alleine auf der Tanzfläche, mit ins Gesicht geschütteltem Haar, ist dies nicht der Fall war es kein Konzert oder es ist noch nicht vorbei.


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